Freitag, 28. März 2008

Die amerikanische Hotline-Infrastruktur - Satans Meisterstück

Heute möchte ich euch über meinen Kampf gegen die Hotlines berichten. Vorweg: Es scheint nur so, als hätte man überhaupt eine faire Chance, die Niederlage ist in Wirklichkeit schon vorprogrammiert, und zwar auf eine subtile und perfide Art und Weise.

Ich wollte gestern unseren Internetanschluss bestellen, und zwar online, was ja erfahrungsgemäß am wenigsten Schwierigkeiten bereitet, weil man keine inkompetenten Call Center Agents an der Leitung hat, die einem für Provision noch das P³ (Power-Porno-Package) andrehen wollen. Ging auch soweit ganz gut, am Ende der Bestellung wurde man mit einem Mitarbeiter per Live-Chat verbunden, der alles nochmal überprüfte. Es stellte sich heraus, dass das gewählte Angebot nicht für Neukunden geeignet war... obwohl zuvor explizit nachgefragt wurde, ob man Neukunde sei. Naja, nach einer halbstündigen Chatsession mit dem Operator, der mir zwischenzeitlich 478,99 $ Einrichtungsgebühr berechnete
("Oh, I'm sorry Jurgis, I accidently hit the Enter-Button... of course I meant 78,99 $" - Super, manch anderer läge jetzt vielleicht schon mit einer akuten Herzrhytmusstörung unterm Defibrillator... kann man jemanden verklagen, weil er den Enter-Button zu früh gedrückt hat? Naja, hier bestimmt.)
, hatte ich dann ein komplett anderes Paket bestellt als ich zuvor in das Formular eingetippt hatte. Hätte man sich also auch sparen können. Schult aber die 10-Finger-System-Skills! Am Ende des Chats merkte der Operator dann noch an, dass man lediglich per Scheck bezahlen könne. Da wir jedoch nur über Traveler Cheques und Visa-Karte verfügen, müsse ich die geänderte Zahlungsmethode unserem Local Payment Center mitteilen. Der Auftakt zu einem bespiellosen Telefonmarathon!!

Nachdem ich die versprochene Bestätigungsmail heute immer noch nicht hatte, versuchte ich das Payment Center trotzdem zu erreichen. Über den Online Shop Finder fand ich auch eins ganz in der Nähe und rief die zugehörige Nummer an. Nur sagte mir der nette Herr am Telefon, dass er keinesfalls zu dem Payment Center gehöre, dessen Nummer ich gewählt hatte. Aber das wäre ja ein zu leichter Misserfolg gewesen, es gibt ja noch die herrliche Erfindung der Weiterleitung! Nach gängigen Regeln der guten Kundenbetreuung erfolgt diese im Allgemeinen, ohne den Kunden nach seiner Meinung zu fragen, ohne eine weitere Mitteilung, wohin man verbunden wird und natürlich ohne Verabschiedung! Im optimalen Fall hört man nach dem Vortragen seines Anliegens gar nichts mehr vom Hotline-Mitarbeiter, sondern nur noch ein Klacken in der Leitung, das einem mitteilt, dass man einen weiteren Redirect erreicht hat. Gäbe es dafür Payback-Punkte (Meilen? Berechnet nach Area-Code-Differenz zum Beispiel...) wäre ich ein gemachter Mann und könnte mir das Internet kaufen!

Eine weiteres Stilmittel der systematischen Telefonverarsche ist das Computerstimmen-Menü. Es sollte vorsichtig, aber gezielt eingesetzt werden. Denn ein ruhiger Anrufer mit viel Geduld ist erst mit dieser von Zeit zu Zeit eingestreuten Methode aus der Fassung zu bringen. Besonders effektiv ist diese, wenn man nach gefühlten 25 Menüebenen endlich einen realen Call Center Agent dran hat und in Sichereit gewiegt wird, dann jedoch nach 3-4 Weiterleitungen und zusätzlichen 15 Minuten in der Warteschleife wieder genau im Anfangsmenü landet. Spätestens hier sollte auch Janne Ahonen die Axt auspacken!

Das gleiche Schicksal ereilte mich gleich danach, als ich entnervt aufgab und meinen Prepaid-Handy-Aufladebonus kassieren wollte. Das Computermenü war sogar noch gerissener designt: Es ging nicht nur nach dem typischen "Für-Schweinshaxe-wählen-Sie-1"-Schema, sondern mit Spracheingabe! "I'm sorry, I fear I didn't understand what you were saying". Hm, liegt vielleicht daran, dass du keine deutschen Schimpfwörter in deiner miesen kleinen Datenbank hast.

Man sieht also, dass das anerikanische System hier einen großen Wissenvorsprung gegenüber dem deutschen hat. Während man in Deutschland durch unwissende Mitarbeiter, die lediglich durch Unfreundlichkeit glänzen, relativ schnell aufgibt, wurde das Ganze hier durch geschickt eingesetzte Stilmittel und Vortäuschen scheinbarer Erfolge perfektioniert, so dass man erst nach einem langen, ereignisreichen Telefonmarathon feststellt, dass man wieder am Anfang gelandet ist. Brilliant, denn nur so kann man einen Menschen psychisch so nachhaltig zerstören, dass er willenlos alles kaufen wird oder sein Vorhaben, den versprochenen Bonus einzulösen, für immer aufgeben wird. Wahrlich ein Meisterstück!

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